Redebeiträge vom vergangenen Klimastreik - Olli von FFF
Hi, schön, dass ihr heute alle da seid! Es ist irgendwie fast schon ein komisches Gefühl hier zu sein, weil wir vor fast genau einem Jahr schonmal hier waren, und zwar vorne am Rüpurrer Tor. Vielleicht waren einige von euch damals auch schon da. Schön auch, dass ihr quasi “immer noch” da seid und mit uns auf die Straßen geht! Vielleicht erinnert ihr euch, damals standen die Bundestagswahlen kurz bevor, aber mir kommt das auch vor, als sei das schon wieder eine Ewigkeit her. Ich war damals Erstwähler und durfte zum ersten Mal “mitentscheiden”. Das war eigentlich ein gutes Gefühl und ich habe auch große Hoffnungen in unsere neue Bundesregierung gesetzt. Ich war so durstig nach Wandel, nach Veränderung, danach erhört zu werden. Und ich kann mir vorstellen, dass es vielen von euch auch so ging, egal ob ihr schon wählen konntet oder nicht. Schließlich tut man ja schon alles was man kann, man demonstriert, mein unterschreibt Petitionen, man verändert den eigenen Alltag, man informiert sich und dann gibt man seine Stimme endlich an eine Partei, von der man glaubt, dass sie endlich Dinge besser macht, und es kommt sogar eine neue Regierung zustande… Und ja… Wenn man sich jetzt ein Jahr später umschaut, dann komme ich mir ehrlich gesagt vor wie im falschen Film.
Manchmal weiß ich gar nicht, wo mir der Kopf steht, weil ich nur noch Krisenherde brennen sehe und gar nicht weiß, welchen man zuerst löschen soll. Und ich bin ehrlich: Manchmal will ich mich eigentlich gar nicht mehr damit auseinander setzten. Dann will ich keine Nachrichten mehr sehen, die einen so hilflos und traurig machen, wenn wieder gezeigt wird, was die Klimakrise in anderen Ländern und auch bei uns anrichtet.
Dann will ich auch nicht mehr zuhören, weil ich das Gerede darum nicht mehr ertrage. Weil es entweder leere Worte oder realitätsfremde Ignoranz sind. Sei es von Christian Lindner, der den Ruf nach einer klimafreundlichen, zukunftsweisenden und sozial gerechten Maßnahme wie dem 9-EuroTicket als “Gratismentalität” bezeichnet oder auch Olaf Scholz, der letztes Jahr im Wahlkampf bei uns in Karlsruhe auf dem Marktplatz davon gesprochen hat, dass er die Industrie klimaneutral umgestalten möchte und von dem ich jetzt zum Thema Klima irgendwie so gar nichts konstruktives mehr höre. Generell würde ich mich freuen, überhaupt irgendetwas von ihm zu hören!
Und das allerschlimmste ist: Manchmal will ich mich nichtmal mehr informieren, weil die Prognosen so schlecht sind, dass ich mir denke: “Okay, keine Chance, das war´s eh.“ Und so richtig darüber reden will ich eigentlich auch nicht mehr. Es fiel mir wirklich schwer diese Rede zu schreiben, weil doch eigentlich alles gesagt ist und schon so oft gesagt wurde. Ihr wisst alle, was abgeht und was auf dem Spiel steht, das brauche ich euch nicht zu erzählen.
Und es ist all das zusammen, diese Bilder, diese Wut, das immer-wieder-aufs-Neue-enttäsuchtwerden. Aus Schock wird Wut, aus Wut wird Verzweiflung, aus Verzweiflung Schmerz und der Schmerz, der geht und geht einfach nicht weg. Und wenn man irgendwann vor lauter Schmerz ganz stumpf und taub ist, dann kommt die Erschöpfung. Ich bin so leer und ausgebrannt und müde. Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr. Und – BAM – schon bin ich so, wie ich nie sein wollte. Voller Misstrauen, Verbitterung und Hoffnungslosigkeit. Ja, ich bin politikverdrossen. Und ich bin ehrlich: als ich das das erste Mal festgestellt habe, da habe ich mich vor mir selbst erschreckt.
Dabei wird doch überall davor gewarnt und ich hatte mir doch vorgenommen nie so zu werden. Man müsste meinen, wenn die Probleme größer werden, dann wächst auch das Interesse und der Widerstand. Schließlich ist ja jeder davon betroffen. Aber irgendwann ist man einfach nur noch überfordert. Wir kämpfen hier längst nicht mehr nur gegen die Klimakrise. Es ist wichtig, dass ihr das versteht! Sondern es ist ein Kampf um Hoffnung. Um das was uns im Kern zusammenhält und uns weitermachen lässt.
Das ist beängstigend, das gebe ich zu. Es macht diesen Kampf noch viel wichtiger und ein Versagen noch viel schlimmer. Aber wenn man drüber nachdenkt, ist es eigentlich ein Grund mehr weiterzumachen. Es steht so viel auf dem Spiel, die Zeit rinnt uns durch die Finger und wir können es uns nicht leisten in die Resignation und Blindheit zu verfallen, die unseren Planeten überhaupt erst an diesen Punkt gebracht haben.
An die Politik: Ihr habt eine Verantwortung, eine Vorbildfunktion! Und im Moment verhaltet ihr euch weder sehr verantwortungsbewusst, noch vorbildlich. Ihr beschwert euch über Politikverdrossenheit und Extremismus. Dabei beschwört ihr diese selbst herauf. Wenn ihr eine Jugend wollt, die sich für eure Politik interessiert, die euren Worten glauben schenkt, die an Gemeinschaft und Demokratie glaubt, dann hört auf sie zu enttäuschen, hört auf sie zu belügen. Eure leeren Worte und nicht eingehaltenen Versprechen zerstören auf der einen Seite unseren Planeten. Aber was sie leider auch zerstören, das ist unser Vertrauen, unsere Träume, unsere Hoffnungen. Liebe Politiker, eure Kinder schreien um Hilfe und ihr hört einfach weg. Und das wird uns und euch noch so viel mehr kosten als unseren Planeten. Auf der U.N.Klimakonferenz hat Greta Thunberg mal so passend gesagt: „If you choose to fail us, we will never forgive you!“ Nicht weil wir es nicht wollen. Sondern weil wir es dann nicht mehr können. Weil euer Motto jahrezehntelang gelautet hat profitnotpeople.
Und an alle anderen: Ich weiß, dass es leicht ist bei diesen Bildern zu verzweifeln. Dass man die Hoffnung aufgeben will und sei es nur um diesen harten Kampf nicht mehr kämpfen zu müssen. Manchmal geht es mir genauso. Dann liege ich nachts im Bett und weine, weil ich nicht weiß, ob ich selbst einmal Kinder haben möchte. Dann muss ich den Fernseher, mein Handy, das Radio abstellen, weil ich die Bilder und das Gerede darum nicht ertrage. Manchmal bin ich sogar frustriert über meine eigene Bewegung oder die Medien, die sich auf Twitter lieber darüber streiten, ob man sich nun aus Protest auf der Straße festkleben darf oder nicht oder ob es okay ist, dass eine weiße Sängerin, die Dreadlocks trägt, wieder ausgeladen wird, anstatt darüber was wir unserem Planeten an jedem Tag, in jeder Sekunde, die vertickt antun und wie wir das aufhalten können. Und ganz wichtig ist: Ihr dürft all das! Ihr dürft wütend sein, ihr dürft schreien, ihr dürft weinen, ihr dürft Pause machen. Aber es gibt eine Sache, die ihr nicht dürft: Ihr dürft nicht aufgeben!
Der Hashtag dieses Streiks lautet: peoplenotprofit. Und ich will euch mal kurz erklären, was das für mich eigentlich bedeutet. „Die Menschheit ist böse.“, diesen Satz höre ich super oft, wenn es um die Klimakrise geht. Und ich verstehe auch, wie man darauf kommt. Wenn man sieht, wie im Jemen oder Iran die Menschen ertrinken, wie in Kenia Kinder verhungern, wie Delfine in Netzen verenden oder wie Schlachthöfe ohne jede Skrupel am Fließband Tiere niedermetzeln, dann überwältigt einen diese Grausamkeit des Menschen der Welt gegenüber. Was soll man da anderes denken als „Die Menschheit ist böse.“
Aber ich sag euch was: Nennt mich naiv oder blauäugig, aber ich weigere mich das zu glauben. Erstens klingt es in meinen Ohren zu sehr wie eine faule Ausrede oder zumindest eine Flucht in die hoffnungslose Aufgabe: “Ja, die Menschen sind halt so, kann man eh nix machen.” Doch, natürlich kann man da was tun! Jeder von uns kann das!
Aber viel wichtiger: Ich finde das fast schon ungerecht, denen gegenüber die es besser machen wollen. Menschen, die verdient haben, dass man nicht aufgibt, dass man an ihrer Seite weiterkämpft. Und ich kenne so viele gute Menschen. Kluge, mutige, tapfere, liebevolle Menschen, die nicht aufgeben, die weiterkämpfen, weil sie irgendwann mal in den Spiegel oder ihren Kindern in die Augen schauen wollen und ehrlich sagen können: „Ich hab alles gegeben! Ich hab gekämpft!“ Der Satz „Die Menschheit ist böse“ wird ihnen nicht gerecht. Denn ihr Kampf, der sollte uns mehr wert sein und schwerer wiegen als alle Korruption und alle Lügen dieser Welt! People Not Profit!
Wenn ich das nächste Mal jemanden das sagen höre, dann würde ich ihn gerne auch mal auf so eine Bühne stellen und ihn auf diese Menge schauen lassen. Egal, ob ihr Eltern seid, die für ihre Kinder kämpfen, egal ob ihr Kinder seid, die für ihre Zukunft kämpfen, egal ob ihr Tiere liebt oder die Natur generell, ich weiß, ihr seid keine bösen Menschen. Jetzt müssen wir nur noch die Politiker davon überzeugen, dass sie es auch nicht sind. Glaubt an diesen guten Willen, glaubt an diese Hoffnung! Denn ihr seid der beste Beweis dafür, dass es sie gibt!